Diese Frage ist tatsächlich berechtigt, wenn man bedenkt, dass in anderen Ländern, insbesondere im angelsächsischen Bereich, der Austausch über Gehälter eine Selbstverständlichkeit darstellt. Das gilt nicht nur für den privaten Bereich, so ist es zum Beispiel völlig normal, sich mit Bekannten auf einer Party über die Gehälter zu unterhalten, sondern erst recht auch im Betrieb. Doch hierzulande gehören die Gehälter zu den ganz großen Tabuthemen, über die man nach Möglichkeit nicht spricht. Es ist nicht üblich, dass Freunde sich über die präzise Höhe ihrer Gehälter ins Bild setzen, sogar bei Paaren ist es nicht selten, dass der eine nicht weiß, was der andere verdient. Tatsächlich ist es in den meisten deutschen Arbeitsverträgen auch vertraglich so geregelt, dass der Arbeitnehmer einer Geheimhaltungspflicht unterliegt, was sein Einkommen angeht.
Er verpflichtet sich durch seine Unterschrift unter den Arbeitsvertrag, Stillschweigen über die Höhe seiner Bezüge zu bewahren. Diese Verpflichtung gilt insbesondere auch gegenüber Kollegen. Der Arbeitgeber will mit dieser Vorschrift verhindern, dass sich seine Angestellten über ihre Einkommen austauschen und so beim Vergleich eventuelle Unzufriedenheit aufkommt. Er hat Angst davor, ständig mit Forderungen nach mehr Gehalt konfrontiert zu werden, wenn Mitarbeiter sich ungerecht behandelt fühlen. Genauso fatal ist es, wenn die Unzufriedenheit mit der eigenen Gehaltseinstufung zur Abnahme der Motivation bis hin zur inneren Kündigung führt. Um solche Probleme von Anfang an zu verhindern, untersagt der Arbeitgeber seinen Angestellten, offenzulegen, wie viel sie verdienen.
Selbstverständlich ist man als Arbeitnehmer an eine entsprechende Geheimhaltungsklausel im Arbeitsvertrag unbedingt gebunden und sollte sich nicht über sie hinwegsetzen. Eine Verletzung dieser Vereinbarung kann im schlimmsten Fall zu einer Abmahnung oder sogar einer Kündigung führen. Darüber hinaus liegt es in bestimmten Situationen sogar im Interesse des Arbeitnehmers, Stillschweigen bezüglich seines Gehalts zu bewahren. Wenn er nämlich mehr verdient als seine Kollegen in einer vergleichbaren Position, erweckt er mit seinem relativ hohen Gehalt unschöne Neidgefühle.
Diese können sich sogar in Beschwerden beim Vorgesetzten äußern, bei denen dann spätestens herauskommt, dass der Betreffende seine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Geheimhaltung nicht beachtet hat. Umgekehrt schadet es dem eigenen Ansehen, wenn bei einem Vergleich der Gehälter herauskommen sollte, dass man unterdurchschnittlich wenig verdient. Dann gilt ein solcher Kollege schnell als wenig durchsetzungsfähig oder gar leistungsschwach. Alle diese Schwierigkeiten kann man sich ersparen, indem man sich einfach an die Bestimmungen des Arbeitsvertrags hält. Auch im Freundes- und Bekanntenkreis werden hohe Gehälter schnell beneidet und niedrige Einkommen fälschlicherweise als Zeichen von Schwäche gewertet.