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Welchen Einfluss hat Corona auf unser Gehalt?

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Kategorie: Ausbildung & Berufseinstieg
06.07.2020
Tipps & Tricks zum Thema Gehalt, Karriere & Berufsleben
findest du im Stepstone Magazin
Philip Bierbach steht mit verschränkten Armen

Ein milliardenschweres Konjunkturpaket und millionenfache Anträge auf Kurzarbeit – es ist offensichtlich, dass Corona große Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft hat. Inwiefern wirkt sich die Krise auch auf unser Gehalt aus? Welche Effekte spüren wir schon jetzt, welche folgen später? Wird unser Einkommen sinken und wie steht es um Bonuszahlungen und das 13. Gehalt?

Mit Dr. Philip Bierbach, Geschäftsführer von Gehalt.de, sprechen wir über die aktuelle Gehaltsprognose.

Philip, wie wird sich das Gehalt in diesem Jahr in Deutschland entwickeln?

Die einigermaßen gute Nachricht vorweg. Im Vergleich zu 2019 gehen wir davon aus, dass die Gehälter in diesem Jahr mit einem Plus von 1,6 Prozent noch minimal steigen. Die schlechte Nachricht: Das wird längst nicht so stark der Fall sein, wie zu Beginn des Jahres erwartet. Unsere Analyst*innen von Compensation Partner gingen Ende 2019 noch von 2,9 Prozent aus. (Anm. d. Red.: Zwischen 2009 und 2019 betrug die durchschnittliche Lohnsteigerungsrate 2,57 Prozent)

Zusätzlich haben wir uns acht ausgewählte Berufe angeschaut und erwarten hier meist Steigerungen auf deutlich niedrigerem Niveau.

Wie kann es sein, dass die Krise aktuell keine zu großen Auswirkungen auf unsere Gehaltsentwicklung hat?

Die meisten Entscheidungen zur Lohnpolitik werden erfahrungsgemäß zu Beginn eines Jahres getroffen. Für viele Unternehmen war die Krise da noch in weiter Ferne. Gehaltsverhandlungen wurden also meist bereits vor dem Corona-Ausbruch in Deutschland geführt. Unabhängig von der Gehaltsentwicklung spüren viele Menschen die Auswirkungen der Ausnahmesituation aber trotzdem schon seit geraumer Zeit. Über nahezu alle Branchen hinweg haben Unternehmen Kurzarbeit beantragt. Trotz staatlicher Unterstützung verdienen Betroffene momentan also bereits weniger Geld als gewohnt.

Zu Beginn der Krise waren die sogenannten „systemrelevanten Berufe“ ein großes Thema. Wie entwickeln sich hier die Gehälter?

Wir gehen aktuell davon aus, dass die Lohnentwicklung speziell für das Pflegepersonal in Krankenhäusern und Altenheimen vergleichsweise positiv ausfallen könnte. Mit einem Plus von 3,1 Prozent bzw. 2,6 Prozent fällt unsere Prognose für 2020 hier besonders optimistisch aus.

Was stimmt unsere Analyst*innen hier so positiv?

Das sind mehrere Faktoren. Wir haben bereits in vergangenen Krisen beobachtet, dass Berufsgruppen mit hoher Tarifabdeckung, klar geregelten Ausbildungsanforderungen und starker Präsenz in der öffentlichen Diskussion die Aufmerksamkeit einer Krise besser in Tarif- und Gehaltsverhandlungen nutzen können. Bei all der Euphorie dürfen wir aber nicht vergessen, dass wir die Gehälter von Kranken- und Altenpfleger*innen immer noch auf einem niedrigen Lohnniveau liegen. (Anm. d. Red.: Fachkräfte in Deutschland verdienen jährlich rund 41.400 Euro)

Werden also alle Menschen in systemrelevanten Berufen eine bessere Verhandlungsposition haben?

Es wäre schon, wenn es so einfach wäre. Nein, im Gegenteil. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass nicht alle Berufsgruppen die Krise für sich und die allgemeine Gehaltsentwicklung nutzen können werden. Nehmen wir als vergleichbare Beispiel etwa Kassierer*innen. Faktoren wie niedrigere Berufseintrittsbarrieren und Ausbildungsanforderungen sowie ein fehlender flächendeckender Tarifvertrag sorgen auch für niedrigere Steigerungsprognosen unserer Analyst*innen.

Gehaltsprognose für 2021 und 2022

Gehaltsprognose Corona 2020

Wie sieht es in anderen Teilen der Wirtschaft aus?

Echte Gewinner*innen wird es in diesem Jahr in puncto Gehaltsentwicklung leider nicht geben. Besonders hart trifft es die Tourismusindustrie.

Aufgrund der lange komplett eingeschränkten Reisemöglichkeiten, der Umsatzverluste von Reisebüros und der aktuellen Kurzarbeit, gehen unsere Analyst*innen davon aus, dass zum Beispiel im Beruf der Tourismuskaufleute keine Lohnsteigerung zu erwarten sind. Ähnliches gilt für die Automobilindustrie. Die lange stillgelegten Produktionsstätten, der Einbruch bei der Bestellung von Neuwagen im In- und Ausland sowie die Entscheidung gegen eine Kaufprämie seitens der Regierung treffen die Branche hart.

Hier geht unsere Prognose, etwa im Beruf der KFZ-Mechatroniker*innen, von einer minimalen Lohnsteigerung von 1,3 Prozent für 2020 und von 0,1 Prozent für 2021 aus.

In welchen Branchen sieht es denn besser aus?

Ein leicht positiver Trend ist innerhalb der IT-Branche zu erwarten. Deutschlandweit sind Softwareentwickler*innen weiterhin begehrt. Aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung werden Lohnsteigerungen 2020 jedoch auch in diesem Sektor geringer ausfallen als sonst (+1,7 Prozent, Anm. d. Red.).

Wie steht es ganz allgemein um Bonuszahlungen in diesem Jahr?

Generell verhält es sich so, dass Gehälter – auch in Krisenzeiten – eigentlich nicht sinken. Ausnahme sind hier jedoch die variablen Bezüge wie Sonder- und Bonuszahlungen oder das 13. Monatsgehalt. Gemäß der aktuellen Prognose ist es nicht realistisch, dass die variablen Gehaltsanteile in 2020 in voller Höhe oder überhaupt ausgezahlt werden.

Wie lässt sich die aktuelle Situation mit der Finanzkrise 2008 vergleichen? Können wir abschätzen, wie sich die Gehälter in Zukunft entwickeln werden?

Laut offizieller Zahlen wissen wir, dass die Finanzkrise ein großer Dämpfer für die Lohnentwicklung war (Anm. d. Red.: Diese lag laut Destatis im Schnitt nur noch bei 0,2 Prozent).“

Anders als 2008 ist die Corona-Krise allerdings eine exogene, also keine Systemkrise – das bedeutet, dass sie möglicherweise einen weniger starken Effekt auf Erwartungen, Investitionen und Lohnsteigerungen haben wird. Zudem könnten die öffentliche Debatte um die systemrelevanten Berufe und die vorherige gute Situation auf dem Arbeitsmarkt einen positiven Effekt haben.

Was wir aus 2008 ableiten können: In der Finanzkrise traten die Folgen zeitverzögert auf. Erst im Jahr 2009 fielen die Lohnsteigerungsraten – was dafürspricht, dass wir erst 2021 einen Einbruch beobachten werden.

Kannst du denn einen optimistischeren Ausblick für die nahe Zukunft geben?

Wir müssen leider davon ausgehen, dass die Krise großen Einfluss auf die Gehaltsstrukturen im Jahr 2021 haben wird. Gleichzeitig rechnen wir aktuell damit, dass die Lohnsteigerungsraten nicht niedriger als 2009 ausfallen werden. Unsere Analyst*innen prognostizieren für 2021 ein Plus von 0,3 Prozent.

Wir sehen jedoch Berufsfelder, in denen es schneller wieder bergauf gehen wird. Etwa im Gesundheitssektor, in der IT, im digitalen Handel und im Baugewerbe. Zusätzlich stimmt mich persönlich positiv, dass das umfassende Konjunkturpaket der Bundesregierung in Wirtschaft und Gesellschaft für viele positive Reaktionen gesorgt hat. Das macht Hoffnung.

 

Weitere Informationen zum Thema können Sie hier einsehen.

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