In den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten hat sich die chemische Industrie zu einer der umsatzstärksten Branchen in Deutschland entwickelt. Mit einem Umsatzvolumen von mehr als 145 Milliarden Euro rangiert sie direkt hinter dem Fahrzeug- und Maschinenbau sowie der Ernährungsindustrie. In den rund 2.000 deutschen Unternehmen - hauptsächlich handelt es sich um kleine und mittelständische Betriebe, arbeiten mehr als 400.000 Menschen. Zu den Hauptabnehmern der Produkte, die in der chemischen Industrie hergestellt werden, gehören Kunststoff- und Lebensmittelindustrie, Auto- und Maschinenbau, Glasindustrie und die Hersteller von Baustoffen.
Zu einer eigenen Branche wurde die chemische Industrie gegen Mitte des 19. Jahrhunderts, als auch die Ölindustrie in Schwung kam. Zusammen mit der Metallgewinnung wurde die chemische Industrie zu einer treibenden Kraft für die Industrialisierung. In Deutschland ist die chemische Industrie sehr stark auf Wachstum ausgerichtet. Die wichtigsten Motoren der chemischen Industrie sind in Deutschland die pharmazeutische Industrie, Pflanzenschutzmittel und weitere chemische Produkte. Insgesamt werden in Deutschland etwa 30.000 chemische Produkte hergestellt. Pro Jahr werden etwa 19 Millionen Tonnen fossiler Rohstoffe wie Erdöl- und Gas sowie Kohle, nahezu drei Millionen Tonnen nachwachsender Rohstoffe und etwa 20 Millionen Mineralien verarbeitet. Weltweit ist Deutschland der größte Exporteur und der drittgrößte Importeur von chemischen Produkten.
Von der weltweiten Wirtschaftskrise blieb die chemische Industrie 2008 und 2009 nicht verschont. Nachdem der Umsatz in diesen beiden Jahren um rund ein Drittel eingebrochen war, erholten sich die Betriebe schon 2010 erholen und schaffte in der Produktion ein Plus von elf Prozent. Grob lässt sich die chemische Industrie, in die anorganische und organische Industrie unterteilen.
Die Wurzeln des anorganischen Zweiges reichen zurück bis ins Jahr 1740, als in Richmond das Bleikammerverfahren entwickelt wurde, um Schwefelsäure herzustellen. In den folgenden Jahrzehnten waren Schwefelsäure und Soda die wichtigsten Produkte der chemischen Industrie. Vor allem in der Glasindustrie war Soda gefragt, welches die Herstellung von speziellen Gläsern wie Kristallglas ermöglichte.
Als Begründer der organischen Chemieindustrie gilt Friedlieb Ferdinand Runge. Dieser untersuchte 1833 Steinkohleteer, der als Nebenprodukt bei der Umwandlung von Steinkohle zu Koks entstand. Seine Beobachtungen zu den Inhaltsstoffen und ihren Reaktionen bildeten die Grundlage für die spätere Herstellung von Kunststoffen, synthetischen Farben und Arzneimitteln.
Die heutigen Branchengrößen wie BASF oder Bayer wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts gegründet, als die chemische Industrie sowohl wirtschaftlich als auch politisch eine wichtige Rolle spielte. Beispielsweise konnte dank moderner Medikamente, die auf chemischer Basis hergestellt wurden, das Infektionsrisiko ansteckender Krankheiten erheblich eingeschränkt werden.
Zu den wichtigsten Berufen gehören in der Branche neben dem Chemiker, der Chemielaborant, der Pharmakant, der Chemisch-technische Assistent und der Stoffprüfer. Aber auch Spezialisten wie etwa der Lebensmittelchemiker sind nach wie vor gefragt.