Steile Karriere mit abgebrochenem Studium möglich?
Welche Chancen haben Bewerber auf dem Arbeitsmarkt, die ihr Studium abgebrochen haben? Wird man überhaupt zum Vorstellungsgespräch eingeladen, wenn im Lebenslauf ein Abbruch ersichtlich ist? Kann es sogar sein, dass diese Kanditaten als mutig angesehen werden, da sie den Schritt gewagt und ein Risiko eingegangen sind?
Grund für Abbruch ist entscheidend
Laut einer OECD-Studie brechen in Europa rund ein Drittel der Studenten ihr Studium ab. Die Gründe für einen Abbruch sind unterschiedlich. Manche erkennen während der Studienzeit, dass sich die ursprünglichen Ziele verschoben haben und das Studium nicht mehr als sinnvoll betrachtet werden kann. Es gehört eine Portion Mut dazu, wenn man das Studium abbrechen möchte. Der zuvor eingeschlagene Weg schien sicher zu sein und mit dem Abbruch begibt man sich auf unsicheren Boden. Studienabbrecher sind in der Regel offen für Neues und haben sich im Vorfeld Gedanken über berufliche Perspektiven gemacht. Einige nehmen an Weiterbildungsmaßnahmen teil, andere entscheiden sich für eine Ausbildung.
Die Lücke im Lebenslauf sollte kurz im Bewerbungsschreiben erklärt werden. Dies soll nicht zu einer langen Rechtfertigung führen, sondern lediglich kurz darauf hinweisen, warum das Studium abgebrochen und sich umentschieden wurde. Zum Beispiel kann die ungeplante Schwangerschaft zum Studienabbruch führen. Die junge Mutter geht nun andere Wege, um ihr berufliches Ziel zu erreichen und dieser Ehrgeiz und das Durchhaltevermögen sind Eigenschaften, die von Personalverantwortlichen geschätzt werden. Anders sieht es aus, wenn schlicht und ergreifend die Lust am Lernen nachließ und deswegen das Studium abgebrochen wurde. Mit dieser Einstellung wird keine steile Karriere möglich sein und dies drückt sich in der Regel auch körpersprachlich aus. Die Personalverantwortlichen, die sich bei der Vorentscheidung im Bewerbungsverfahren nicht in erster Linie an Zeugnisnoten orientieren, werden spätestens beim Jobgespräch erkennen, wen sie vor sich sitzen haben. Ein Studienabbrecher, der mit kreativen Ideen ins Gespräch kommt und klar und nachvollziehbar seinen Abbruch erklären kann, hat bessere Karten als derjenige, der das Thema weg diskutieren möchte.
Ohne Titel keine Chance
Ein Abbruch des Studiums muss nicht bedeuten, auf Karriere zu verzichten. Selbsterklärend ist es, dass ohne Jurastudium oder ohne abgeschlossenes Medizinstudium keine Karriere als Jurist oder Arzt möglich ist. Davon abgesehen sollte man sich klar machen, dass einige Unternehmen Wert auf einen akademischen Abschluss legen, ohne den in diesen Firmen keine Aufstiegschancen möglich sind. In Deutschland wird für manche Positionen immer noch viel Wert auf einen Titel gelegt, selbst wenn dieser Titel nicht viel über die Fähigkeiten des Menschen aussagt. In vielen deutschen Personalabteilungen besteht noch keine Offenheit gegenüber Personen, die zwar ihr Studium abgebrochen haben, doch wertvolle Soft Skills mitbringen, die für den Erfolg wichtig sind. Zudem bekommt die Personalabteilung meistens ganz klare Vorgaben für das Bewerberprofil. Besonders in großen Konzernen ist ein abgeschlossenes Studium oftmals Voraussetzung für Führungspositionen. Studienabbrecher haben mehr Chancen als Führungskraft, wenn sie sich in kleinen oder mittelständischen Unternehmen bewerben. Personalverantwortliche gehen von bestimmten Kompetenzen aus, wenn jemand sein Studium abgeschlossen hat. Sind diese Kompetenzen für den Beruf oder die Stelle notwendig, werden Studienabbrecher selten einen Fuß in die Türe dieses Unternehmens bekommen. Nur wenige große Firmen zeigen sich offener. Ein Beispiel ist der Konzern Siemens, der ein abgebrochenes Studium nicht unbedingt als Karrierehindernis ansieht. Hier spielt die Begründung für den Abbruch eine Rolle, ob eine Chance besteht oder nicht.
Kein Abschluss, aber Berufserfahrungen
Wer sein Studium abbricht und dann erst einmal eine Weile gar nichts tut, wird mit dieser großen Lücke Schwierigkeiten haben, überhaupt eine Stelle zu finden. Anders sieht es für die Studienabbrecher aus, die entweder während der Studienzeit Berufserfahrungen sammeln konnten oder direkt nach dem Abbruch im Ausland Erfahrungen gesammelt haben. Praxiserfahrungen und Kompetenzen, die mit einem Auslandsjahr verbunden werden, können von Vorteil sein, um den nicht vorhandenen Titel auszugleichen. Wer die Eintrittshürde überwunden hat, kann danach mit Leistung überzeugen. Arbeitskräfte, von denen das Unternehmen profitiert, werden gefördert – ob mit oder ohne Examen.
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