Viele Menschen denken bei einem Profiler oder einer Profilerin an eine Person, die von Tatort zu Tatort läuft und sich in die Gedankenwelt eines Serienmörders hineindenkt, um diesen schließlich zu überführen. Zumindest vermitteln Fernsehsendungen dieses Berufsbild. Die deutsche Bezeichnung Fallanalytiker bzw. Fallanalytikerin ist nicht so stark romantisiert und auch deutlich zutreffender.
Profiler und Fallanalytikerinnen untersuchen nicht nur die Persönlichkeitsmerkmale eines Täters, sondern sie analysieren einen ganzen Fall anhand von Gutachten und Unterlagen. Einen Tatort besuchen Fallanalytiker nur sehr selten. Dennoch handelt es sich hier noch immer um Polizisten bzw. Kriminalpolizistinnen, je nach Einsatzgebiet oftmals auch um Bundespolizisten.
Nachdem in den Achtzigerjahren das FBI für die deutsche Polizei Analysen für Mordfälle zur Verfügung stellte, wurde 1988 dem Bundeskriminalamt das erste eigene Konzept, wie man Fallanalysen in Deutschland etablieren könnte, vorgelegt. Daraus entwickelte sich 1993 die Projektgruppe kriminalistisch-kriminologische Fallanalyse. Ziel der Gruppe war es, Methoden der Fallanalyse unter Berücksichtigung der Täterprofilerstellung zu entwickeln und später als Beratungssystem bei schwer lösbaren Fällen anzubieten. Bereits 1998 wurde die erste spezielle Organisationseinheit Operative Fallanalyse im Bundeskriminalamt (BKA) gegründet.
In Deutschland werden jedes Jahr ca. 80 Fallanalysen durchgeführt. Ein Fallanalytiker-Team wird immer dann hinzugezogen, wenn Schwierigkeiten bei einem Fall auftreten, die für das ermittelnde Polizeiteam in dem Moment nicht lösbar erscheinen. Fallanalytiker und ermittelndes Team setzen sich dann für einen ersten Austausch zusammen und es wird überprüft, ob die operative Fallanalyse (OFA) für den speziellen Fall einen Mehrwert liefern kann. Ist dieser gegeben, beginnt das Fallanalytiker-Team damit, die Akten des Falles genaustens zu überprüfen und möglichst viele Informationen zu sammeln.
Anhand dieser Daten versuchen Fallanalytiker dann, die Tat zu rekonstruieren und die Handlung des Täters einzuschätzen. Während des ganzen Prozesses haben Fallanalytiker keinen Kontakt zu den Zeugen, sondern halten sich vornehmlich an die objektiven Fakten. Auch eine Tatortsbesichtigung ist nicht immer notwendig, kann jedoch in bestimmten Fällen weitere wichtige Anhaltspunkte geben. Zum Beispiel könnte überprüft werden, wie die Lichtverhältnisse zum Zeitpunkt der Tat waren.
Schließlich treffen Fallanalytiker Annahmen über den Entscheidungsprozess des Täters während der Straftat. Wie hoch war das Risiko? Warum diese Zeit oder Ort? Was war das mögliche Motiv? Gibt es individuelle Merkmale bei der Charakteristik des Falles?
Anhand der Annahmen können die Fallanalytiker schließlich Verhaltensmerkmale und Eigenschaften ableiten und eine Eingrenzung bei der Tätersuche ermöglichen. Als Hilfsmittel nutzen Fallanalytiker die elektronische Datenbank der Polizei. Ihre Analyseergebnisse leiten die Fallanalytiker an die Ermittlerinnen weiter.
Fallanalytiker werden bei diversen schwierigen Fällen hinzugezogen:
Polizeiliche Fallanalytikerinnen arbeiten in Dienststellen des Bundeskriminalamtes bzw. der Polizei. Nur in sehr seltenen Fällen besuchen sie für die Analyse und die Rekonstruktion des Tathergangs auch die Tatorte oder die Gerichtsmedizin. Sie sind immer nur Beraterinnen für die Kriminalpolizei und übernehmen keinen Fall gänzlich.
Die fünfjährige Ausbildung der Fallanalytiker findet bei der deutschen Polizei in fünf Lehreinheiten statt. Ausgebildet werden ausschließlich Mitarbeiter der OFA-Dienststellen, die für die einzelnen Lehrgänge von der jeweils zuständigen Polizeidienststelle dem BKA gemeldet werden. In der Regel werden Mitarbeiter ausgewählt, die bereits einige Jahre Berufserfahrung und damit Erfahrung mit verschiedenen Deliktsbereichen haben. Die Lehrgänge bauen stufenweise aufeinander auf. Nur nach dem erfolgreichen Abschluss eines Lehrgangs können die Auszubildenden an dem nächsten Lehrgang teilnehmen.
Während der Lehrgänge erlernen die Teilnehmer den Umgang mit der ViCLAS-Datenbank (Violent Crime Linkage Analysis System), Recherchestrategien und Methoden nach dem aktuellen kriminologischen Wissensstand. Außerdem bilden sich die angehenden Fallanalytiker durch Hospitationen und Praktika in relevanten Disziplinen eigenständig weiter. Bevor die Teilnehmer jedoch eine Hospitation in Betracht ziehen können, müssen sie eine fallanalytisch orientierte Hausarbeit schreiben. Diese Hausarbeit wird von einem Prüfungsteam abgenommen. Zusätzlich müssen auch Erfahrungen in Fallanalysen gesammelt und nachgewiesen werden. Im letzten Lehrgang werden die notwendigen Fähigkeiten eines Fallanalytikers vertieft und geprüft. Nur wer die Prüfung besteht, erhält die Zertifizierung Polizeilicher Fallanalytiker.
Der Weg zum Fallanalytiker ist nicht planbar. Eine Grundvoraussetzung ist jedoch ein gutes Abitur und ein bestandener Einstellungstest bei der Polizei. Hinzukommen Praxiserfahrungen von drei bis zwanzig Jahren in relevanten Deliktsbereichen. Neben Polizeibeamten können in ganz seltenen Fällen allerdings auch Psychologen als Fallanalytiker arbeiten. Diese haben in der Regel jedoch bereits vorher für die Polizei als Polizeipsychologe gearbeitet und werden auch oft nur temporär zu aktuellen Fällen hinzugezogen.
Eine Fallanalytikerin muss teamfähig sein, um mit dem eigenen Team, aber auch mit den Ratsuchenden erfolgreich zusammenzuarbeiten. Außerdem müssen Profilerinnen damit umgehen können, dass sie “nur” im Hintergrund arbeiten und für ihre Arbeit keinen großen Ruhm ernten. Da die vorangegangene Arbeit bei der Kriminalpolizei notwendig für den Beruf ist, müssen natürlich auch diese persönlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Zum Beispiel muss eine Kriminalpolizistin eine Mindestgröße von 1,60 Metern haben, für Männer gilt eine Größe von 1,65 Metern. Auch dürfen keine Vorstrafen vorhanden sein.