Als Geisteswissenschaftler bzw. Geisteswissenschaftlerin sieht man sich schnell Vorurteilen ausgesetzt: Egal ob Philosophie, Theaterwissenschaften oder exotischere Felder wie Afrikanistik oder Ethnologie – oftmals werden solche Studiengänge als Fächer ohne erkennbaren praktischen Nutzen und mit geringen Berufschancen abgestempelt. Tatsächlich sind Geisteswissenschaftler jedoch durchaus gefragt: Dank ihrer vielseitig anwendbaren Grundlagenausbildung sind sie flexibel einsetzbar und können in zahlreichen Branchen eine Beschäftigung finden.
Unter der Sammelbezeichnung Geisteswissenschaften werden dutzende Einzeldisziplinen zusammengefasst. In der Regel werden sie von den Sozialwissenschaften unterschieden, zu denen u. a. Soziologie, Psychologie und Anthropologie zählen, doch diese Abgrenzung wird nicht einheitlich vorgenommen, und teilweise existieren auch Überschneidungen.
Das Statistische Bundesamt rechnet momentan insgesamt 15 Studienbereiche und 70 Fächer zu den Geisteswissenschaften. Hierzu gehören etwa:
Ein geisteswissenschaftliches Studium bietet keine Ausbildung mit Bezug auf eine feste Berufsgruppe wie etwa Medizin oder Jura, daher stellt eine spätere Anstellung mit direktem Fachbezug nicht den Regelfall dar. Doch das bedeutet nicht, dass die Karrierechancen gering sind, im Gegenteil: Als Quereinsteiger kann sich eine Geisteswissenschaftlerin auch in anderen Bereichen beruflich etablieren.
Ihre überfachlichen Methodenkompetenzen und analytischen Fähigkeiten sowie eine im Laufe des Studiums geschärfte Auffassungsgabe werden von vielen Arbeitgebern wertgeschätzt. Darüber hinaus sind es Geisteswissenschaftlerinnen gewohnt, komplexe Sachverhalte aus vielerlei Perspektiven zu betrachten: Gerade deswegen sind sie häufig in der Lage, über den Tellerrand hinauszuschauen und auch unkonventionelle und kreative Lösungen zu erarbeiten.
Des Weiteren haben viele Geisteswissenschaftlerinnen zusätzliche interkulturelle Kompetenzen erworben und können breite Sprachkenntnisse vorweisen – Qualitäten, die in einem internationalen Arbeitsumfeld einen immer größeren Stellenwert einnehmen. Auch ein routinierter Umgang mit großen Textmengen, ausgeprägte Recherchefähigkeiten sowie eine sichere Ausdrucksweise sind Attribute, mit denen gepunktet werden kann. Somit sind es häufig auch die sogenannten Soft Skills, die eine Geisteswissenschaftlerin auszeichnen.
Damit der Einstieg ins Berufsleben gelingt, sollte eine Geisteswissenschaftlerin jedoch schon während ihrer Ausbildung beginnen, Erfahrungen über Praktika und Werkstudentenjobs zu sammeln. Hierbei kann zudem ein Kontaktnetzwerk aufgebaut werden, welches häufig den Weg zur ersten Stelle ebnet.
Als klassisches Einsatzgebiet gilt noch immer das Bildungs- und Forschungswesen, wo knapp ein Drittel aller Geisteswissenschaftler als Lehrer, Wissenschaftler oder Dozent angestellt ist.
Ein Geisteswissenschaftler kann jedoch nicht nur in Schulen oder Universitäten tätig sein, sondern als Generalist in nahezu jedem Unternehmen eine Aufgabe finden, welche seine Fähigkeiten gewinnbringend einsetzt. Mögliche berufliche Arbeitsfelder sind etwa:
Somit finden sich Geisteswissenschaftler ebenso in Wirtschaftsunternehmen wie in politischen und sozialen Interessenvertretungen oder im öffentlichen Dienst.
Um Geisteswissenschaftlerin zu werden, muss ein Studium in einem geisteswissenschaftlichen Fach erfolgreich abgeschlossen werden. In der Regel beenden solche Studenten ihre Ausbildung nicht nach dem Bachelor, sondern erwerben noch einen anschließenden Masterabschluss.
Mögliche Studiengänge und ihre Einsatzmöglichkeiten sind:
Afrikanistik: Afrikanisten und Afrikanistinnen haben in ihrem Studium Wissen über die Kultur, Sprache und Literatur Afrikas erworben. Neben der Erwachsenenbildung sind sie häufig im Verlagswesen angestellt. Außerdem können sie beim Aufbau oder Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen im afrikanischen Sprachraum tätig sein.
Anglistik und Amerikanistik: Anglisten und Anglistinnen bzw. Amerikanisten und Amerikanistinnen sind Experten, wenn es um die Themen Kultur, Sprache und Literatur im englischen Sprachraum geht. Sie können im Verlagswesen, für Fernsehen und Rundfunk oder in der Erwachsenenbildung tätig sein. Sie unterstützen zudem den Aufbau von Wirtschaftsbeziehungen in entsprechenden Regionen.
Arabistik: Die Sprache, Literatur und Kultur im arabischen Sprachraum ist der Schwerpunkt von Arabisten und Arabistinnen. Ähnlich wie andere Studiengänge mit einem Fokus auf eine Kultur können sie sowohl in der Medienbranche als auch als Vermittler bei Expansionen tätig sein. Eine andere Bezeichnung für den Studiengang ist Islamwissenschaften.
Gräzistik: Gräzisten und Gräzistinnen sind Experten, wenn es um die Kultur, Kunst und Sprache des Altgriechischen geht. Sie sind hauptsächlich in der Forschung und Erwachsenenbildung tätig.
Japanologie: Japanologen und Japanologinnen beschäftigen sich mit der Sprache und Kultur Japans. Sie finden vornehmlich im Bereich Übersetzen, in der Kulturberatung und Wirtschaftsberatung als auch in der Öffentlichkeitsarbeit eine Anstellung.
Keltologie: Keltologen und Keltologinnen sind als Experten von keltischen Völkern und deren Sprachen und Kultur, insbesondere im Ausstellungsmanagement und Kulturmanagement gefragt.
Koreanistik: Koreanisten und Koreanistinnen haben in ihrem Studium Wissen über die Kultur und Sprache Koreas erworben. Für Reportagen über Korea erstellen sie Beträge, sind in der Erwachsenenbildung tätig oder sind in der Wirtschaftsberatung beschäftigt.
Latinistik: Latinistik gehört wie Gräzistik zu der Klassischen Philologie. Latinisten und Latinistinnen, Experten des Römischen Reichs, sind daher vornehmlich in der Forschung und Lehre tätig. Sie bieten jedoch auch Lateinkurse für alle Altersstufen an oder sind in der Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt.
Mediävistik: Mediävisten und Mediävistinnen haben sich während ihres Studiums mit dem mittelalterlichen Europa beschäftigt. Sie sind im Ausstellungsmanagement tätig, bereiten mittelalterkundliche Forschungen für die breite Öffentlichkeit visuell und sprachlich vor, bieten Kindern im Bereich der Museumspädagogik einen Einblick in die Vergangenheit oder unterrichten an Hochschulen.
Orientalistik: Orientalisten und Orientalistinnen kennen sich mit der Sprache, Literatur und Kultur des Vorderen und Mittleren Orients bestens aus. Sie helfen beim Ausbau und der Pflege von internationalen Beziehungen, sind in der Erwachsenenbildung tätig oder arbeiten als Journalisten und Journalistinnen.
Religionswissenschaften: Religionswissenschaftlerinnen und Religionswissenschaftler haben sich im Laufe ihres Studiums mit verschiedenen Weltanschauungen beschäftigt. Sie können in der Forschung und Lehre, im redaktionellen Bereich oder in der Erwachsenenbildung eine Anstellung finden.
Regionalwissenschaften: Regionalwissenschaftler und Regionalwissenschaftlerinnen haben sich auf ein Land spezialisiert und sich intensiv mit dessen Sprache und Kultur beschäftigt. Sie können sowohl in der Medienbranche als auch im Bildungsbereich tätig sein und ihr Wissen über länderspezifische politische und geografische Gegebenheiten teilen.
Romanistik: Romanisten und Romanistinnen können Experten der italienischen, französischen, rumänischen, portugiesischen oder spanischen Literatur, Sprache und Kultur sein. Oft haben sie sich sogar auf zwei Sprachräume spezialisiert. Neben einer Lehrtätigkeit, können sie im Medienbereich, in der Wirtschafts- und Kulturberatung oder in der Politik arbeiten.
Skandinavistik: Die Sprache, Literatur und Kultur Skandinaviens ist die Leidenschaft von Skandinavisten und Skandinavistinnen. Sie können ihr Wissen in Medienunternehmen, in Übersetzungsagenturen, in der Kunstberatung und Wirtschaftsberatung einbringen.
Slawistik: Slawisten und Slawistinnen haben sich auf den ostslawischen, südslawischen oder westslawischen Sprachraum spezialisiert. Sie arbeiten in Beratungseinrichtungen, in Bildungseinrichtungen, in Medienunternehmen, in Übersetzungsagenturen, in Verlagen oder im Tourismusbereich.
Turkologie: Kultur, Sprache und Literatur des turksprachigen Kulturraums ist das Steckenpferd von Turkologen und Turkologinnen. Oft sind sie in der Kultur- und Wirtschaftsberatung tätig oder arbeiten für Bildungseinrichtungen, Forschungsinstitute oder Medienunternehmen.
Da das konkrete Fachwissen der Studiengänge meist nicht direkt im späteren Beruf anwendbar ist, stellt das Studium jedoch nur die Basis dar: Um weitere Sprossen auf der Karriereleiter erklimmen zu können, sind ausgedehnte Berufserfahrung und berufsspezifische Weiterbildungen unverzichtbar.
Ein Geisteswissenschaftler sollte mit großer Offenheit und Aufgeschlossenheit an sein jeweiliges Studiengebiet herangehen. Hierbei sind genaues und strukturiertes Arbeiten ebenso wichtig wie Engagement und Selbstständigkeit. Weitere zentrale Eigenschaften sind Teamgeist und Kommunikationsstärke.